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Wahltag – Zahltag?

Wahltag – Zahltag?

Wahlen haben ihre eigenen Gesetzmässigkeiten. Kurzfristige Ereignisse, wie Fukushima oder Fridays for future können Wellen auslösen, welche viele parteiungebundene Wähler an die Urnen locken. In der Regel geht dies einher mit Sitzverlusten etablierter Parteien, die im Medienrummel solcher Bewegungen und Ereignisse schlicht untergehen. Bekanntheit ist in unserer kurzlebigen Zeit ein entscheidender Faktor. Ist Bekanntheit aber auch immer deckungsgleich mit Qualität? Diese Frage sollte sich die geneigte Wählerschaft stellen. Die Unterstützung von privaten NGOs wie dem Gewerbeverband oder dem HEV können neben der Parteizugehörigkeit Hinweise geben, wes Geistes Kind die Kandidierenden sind.

Die kommenden Regierungs- und Kantonsratswahlen am 12. Februar 2023 finden fast genau zum Jahrestag des Einfalls der russischen Truppen in der Ukraine statt. Leider ist davon auszugehen, dass dann immer noch Krieg herrschen wird und ein versehrtes Land Hilfe zum Wiederaufbau oder wenigstens zur Aufrechterhaltung einer minimalen Infrastruktur (Wasser, Energie und Lebensmittel) braucht.

Für unser Land und unseren Kanton stellen sich Fragen wie, wer ist verantwortlich für die Versorgungssicherheit mit Energie? Sind die Rohstoffimporte für unser produzierendes Gewerbe und die Industrie gewährleistet? Wie können mittelfristig Lieferengpässe an Medikamenten, an Medizinalgeräten oder elektronischen Komponenten durch entsprechende Lagerhaltungen überbrückt werden? Das sind unmittelbare, sehr konkrete Fragen, die nach konkreten Lösungen verlangen. Dafür braucht es ernsthafte Politikerinnen und Politiker, die sich mit den Grundlagen unseres Wohlstandes auch dann auseinandersetzen, wenn diese Fragen nicht im Rampenlicht stehen.

Wer etwas weiter zurückblickt, wird unschwer feststellen können, dass Fragen des Umwelt- und Klimaschutzes kein Monopol einzelner Parteien darstellen, der Weg zu deren Lösung unterscheidet sich jedoch stark. Bürgerliche Kreise setzen auf Anreize, auf Überzeugungsarbeit, beseitigen Hindernisse etwa beim Bau von Solaranlagen. Sie lehnen Technologieverbote und rigorose Eingriffe des Staates in die Handels- und Gewerbefreiheit, in die Eigentumsgarantie und die persönliche Freiheit ab und dort, wo sie in ausserordentlichen Lagen nötig sind, pochen sie auf Verhältnismässigkeit – ein oft vernachlässigtes Prinzip unserer Verfassung.

Mitglieder des Regierungsrates und des Parlamentes leisten zu Beginn ihrer Amtszeit einen Eid auf die Verfassung. Mit anderen Worten, ihre Politik muss sich innerhalb dieser Leitplanken bewegen. Leider ist immer wieder zu beobachten, dass ideologisch motivierte Vorstösse die Verfassung mindestens ritzen, wenn nicht gar verletzen. So nagen zahlreiche, oft in der Verwaltung auf Verordnungs- oder Wegleitungsbasis entstandene Vorschriften im Bau- und Umweltbereich oder Entscheide des Baurekursgerichtes an der Eigentumsgarantie. Sie sind oft gut gemeint, jedoch selten wirklich gut.

Da die Medien seit 20 Jahren ihre Berichte über die Verhandlungen im Kantonsrat immer weiter kürzen, ist es für die Wählerinnen und Wähler sehr schwierig geworden, sich während einer Legislatur ein Bild des einzelnen Parlamentsmitgliedes zu machen. Das ist umso bedauerlicher, weil auch die Kantonsratswahlen immer mehr zu Persönlichkeitswahlen werden. Wir brauchen Persönlichkeiten in der Politik, welche über den Tellerrand hinaussehen. Was wir heute unterlassen oder beschliessen, hat Folgen in der Zukunft. Diese gilt es abzuschätzen und in die Entscheidung einfliessen zu lassen. Vorausschauen und in Zusammenhängen denken sind die wichtigsten Fähigkeiten in der Politik. Politik hat auch mit Herkunft zu tun. Wir vertreten im Parlament den ganzen Kanton und alle Einwohnerinnen und Einwohner, dennoch wollen und können wir unsere Herkunft nicht verleugnen. Es gehört zu den Stärken unseres Landes, dass die Anliegen Aller in geeigneter Form berücksichtigt werden. Wer einseitig Sonderinteressen vertritt, muss sich immer wieder damit abfinden, dass es sehr schwer ist, Mehrheiten zu finden. Die Wählerinnen und Wähler dürfen erwarten, dass der Gesetzgeber nicht überbordet und sich daranhält, dass Gesetze sich nicht an Extremen orientieren, sondern Missbräuchen mit Sanktionen begegnen, statt die gesamte Gemeinschaft gewissermassen in Geiselhaft nehmen.

 

Martin Farner-Brandenberger

Präsident HEV Region Winterthur

Kantonsrat FDP

 

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